Übermüdet am Steuer – die Unfallgefahr wird stark unterschätzt
(kunid) Die Reisezeit birgt besonders große Herausforderungen für Autofahrer: Lange Fahrten in den Urlaub und zurück nach Hause, gepaart mit Stress, Hitze oder Starkregen, vielen Baustellenabschnitten und Staus sowie oft unbekannten, fordernden Strecken.
Die reale Gefahr, am Steuer zu übermüden und schlimmstenfalls sogar in einen Sekundenschlaf zu verfallen, wird leider stark unterschätzt. Fakt ist: Je länger die Fahrtdauer, desto geringer die Aufmerksamkeit und umso höher das Unfallrisiko.
„Das Hauptproblem ist, dass viele Lenker ihr eigenes Durchhaltevermögen hinter dem Steuer überbewerten und infolgedessen die Müdigkeitswarnsignale des Körpers verdrängen. Diese Selbstüberschätzung kann fatale Fahrfehler auslösen. Daher sollte man nach drei bis maximal vier Stunden stets eine längere, erholsame Pause einlegen bzw. einen Fahrerwechsel durchführen“, weiß ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger.
Regelmäßige Pausen sind wichtig
Das Einschlafen am Steuer ist dabei lediglich die Spitze des Eisbergs – müdigkeitsbedingter Leistungsabfall während des Lenkens macht sich bereits lange vor dem tatsächlichen Wegnicken bemerkbar.
Schlechter oder kurzer Schlaf, aber auch Fahrten zu ungewohnten Uhrzeiten, verstärken die Erschöpfung noch zusätzlich und führen zu geringerer Konzentration am Steuer. Gerade bei längeren Autofahrten sollten Lenker unbedingt auf regelmäßige Pausen und ausreichend Schlaf vor der Abfahrt achten.
Trauriger Trend: Jährlich mehr Verkehrstote durch Übermüdungsunfälle
Unfälle, die durch Übermüdung bzw. Sekundenschlaf verursacht werden, enden zumeist sehr schwer. Insbesondere die sogenannten „Abkommensunfälle“, bei denen das Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn abkommt und meist ungebremst gegen ein Hindernis prallt oder einen Hang hinabstürzt, gehen oft katastrophal aus.
Während im Jahr 2020 fünf Menschen durch Übermüdungsunfälle auf Österreichs Straßen starben, waren es 2021 bereits neun und im vergangenen Jahr schon elf (Quelle: BMI).
Müdigkeit – Warnsignale des Körpers nicht ignorieren
Die ÖAMTC-Expertin rät Autofahrern, sich selbst genau zu beobachten und wahrgenommene Müdigkeitsvorboten keinesfalls zu ignorieren: „Wer die ersten Anzeichen von Müdigkeit einfach verdrängt oder mit geöffneten Fenstern und lauter Musik zu vertreiben versucht, wird langfristig keine Verbesserung spüren. Auch Kaffee oder Energy Drinks nützen auf lange Sicht eher wenig, sie kaschieren die Müdigkeit bloß und täuschen gute Leistungsfähigkeit vor – bauen aber den Schlafdruck nicht ab.“
Akute Warnzeichen sind häufiges Gähnen, plötzliches Frösteln, ein starkes Bewegungsbedürfnis, ständiges Verändern der Sitzposition, Verspanntheit im Nacken- und Schulterbereich, die Entwicklung eines starren Blickverhaltens und häufiges Blinzeln. Auch abnehmende Kommunikationsbereitschaft oder ein Stimmungstief können Warnsignale sein.
Wer Schwierigkeiten hat, die Spur zu halten, grundlos ruppige Fahrmanöver durchführt, mit den Gedanken oft abdriftet oder das Gefühl hat, die Straße würde sich verengen, sollte unbedingt die nächste Ausfahrt ansteuern, um eine Pause einzulegen und sich auszurasten bzw. das Steuer an einen fitten Mitfahrer zu übergeben.
Bereits ein Power Nap von etwa 20 Minuten in Verbindung mit einem anschließenden Kaffee kann (zumindest kurzzeitig) helfen. Der Energieschub wirkt sich positiv auf Leistung und Stimmung aus und verbessert die Reaktionszeit. Trotzdem ist diese Methode keine Dauerlösung – ein Nickerchen kann eine ordentliche Regeneration, die nur eine mehrstündige Schlafpause hervorbringt, nicht ersetzen.
Tipps für sichere Urlaubs- und Langstreckenfahrten
Routenplanung: Etappen mit fixen Pausen planen, bei langen Fahrten die Zeit nicht zu knapp kalkulieren, bei Strecken ab etwa 800 Kilometern am besten einen Zwischenstopp mit Übernachtung einlegen.
Gut ausgeruht starten: Bei Abfahrt zu untypischer Uhrzeit unbedingt auf ausreichend Schlaf in der Nacht davor achten, bei längeren Autofahrten mind. alle zwei Stunden für 15 Minuten Pause machen und nicht mehr als acht Stunden pro Tag fahren, regelmäßige Fahrerwechsel durchführen (wenn möglich).
Richtig Pause machen: Frische Luft und Bewegung beugt Müdigkeit vor und bringt den Kreislauf wieder in Schwung.
Verantwortung der Mitfahrenden: Oft fällt ihnen früher auf, wenn Lenker müde werden – diese Beobachtung unbedingt aussprechen, eine Pause einfordern.
Optimale Verpflegung: Genügend Wasser, Tee oder verdünnte Fruchtsäfte trinken, da Flüssigkeitsmangel die Konzentrationsfähigkeit massiv beeinträchtigt; Auf schwere (kalorienreiche) Mahlzeiten in Fahrpausen verzichten, da nach dem Genuss von zu üppigen Mahlzeiten meist Schläfrigkeit eintritt; Leichte und vitaminreiche Ernährung wird empfohlen.
Lange Urlaubsfahrten werden oft entgegen der inneren Uhr angetreten: Zwischen 2 und 5 Uhr morgens sowie nachmittags gegen 14 Uhr befindet sich der Mensch in einem biologischen Tief. Fahrten in diesen Zeiträumen – vor allem auf monotonen Strecken – sind besonders unfallträchtig. Man sollte sich daher gut überlegen, ob es wirklich notwendig ist, um diese Uhrzeiten am Steuer zu sitzen.