Die Sozialpartner sollten die Betriebliche Altersvorsorge vorantreiben
(kunid) Es muss, so der Bundesminister für Arbeit und künftig auch für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, mehr Anreize geben, länger als bis 65 zu arbeiten, flexiblere Modelle des Arbeitens müssen unterstützt werden, und es ist Überzeugungsarbeit nötig, um die betriebliche Altersvorsorge zu fördern.
Im Sommer 2020 hatte Martin Kocher, damals als Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), in einem „Policy Brief“ auf die geringen Anteile der zweiten und dritten Säule des Pensionssystems in Österreich im Vergleich zu anderen OECD-Staaten hingewiesen.
Als nunmehriger Bundesminister für Arbeit und zukünftig auch für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zuständig, betonte er bei der „9. Konferenz Betriebliche Altersvorsorge“ in einem Impulsvortrag erneut die zunehmende Bedeutung der Vorsorge.
Vorsorgethema auch für Arbeitsmarkt wichtig
Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Aufmerksamkeit für Altersvorsorge in den nächsten Jahren zunehmen, so Kocher: „Wenn nichts passiert“, wird es in zehn Jahren in Österreich 150.000 bis 200.000 Arbeitskräfte weniger geben.
Kocher spricht in diesem Zusammenhang von einem „Paradigmenwechsel am Arbeitsmarkt“, weil der geburtenstärkste Jahrgang 1963 spätestens in fünf bis zehn Jahren in Pension gehen wird.
Die nachfolgenden, „kleineren“ Jahrgänge werden für ihre Absicherung im Alter dann höhere Pensionsbeiträge zahlen müssen und können in 40 Jahren weniger Leistungen erwarten. Das bedeutet einen „großen Wandel am Arbeitsmarkt, auch was die Vorsorge betrifft“.
Demografie wird große Herausforderung bleiben
Trotz Pandemie und Ukraine-Krieg gibt es Österreich derzeit einen Arbeitskräftemangel wie seit den 70er-Jahren nicht mehr, die Zahl der offenen Stellen übertrifft die Zahl der Arbeitslosen. Viele Stellen sind nicht besetzbar, auch aufgrund eines „Mismatch“, also fehlender Übereinstimmung.
Auch wenn die aktuellen Ereignisse zu einigen Jahren mit schwächerer wirtschaftlicher Entwicklung führen sollten, wird die Demografie eine große Herausforderung bleiben und es weiterhin schwierig sein, Fachkräfte zu bekommen.
Wichtig ist es deshalb, dass Menschen länger arbeiten; Kocher sieht hier großes Potenzial im Vergleich zu Skandinavien oder den Benelux-Staaten. Vor allem müssten Anreizstrukturen geschaffen werden: Es gibt derzeit nur sehr geringe Anreize, länger als bis 65 zu arbeiten.
Darüber hinaus gibt es auch immer weniger Menschen, die im Alter nicht mehr arbeiten können. Vor allem die technische Entwicklung führt dazu, dass die Menschen immer weniger schwer arbeiten müssen.
Politisch schwierig
Einen „anderen Stellenwert“ wird die betriebliche Altersvorsorge erhalten, wenn die „Baby-Boomer“ aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, erwartet Kocher. Das staatliche Pensionssystem könnte „möglicherweise“ unter Druck geraten, private Vorsorge wird daher immer wichtiger.
Das ist allerdings in Österreich politisch schwieriger zu realisieren als beispielsweise in Dänemark, weil es hierzulande keine Einigkeit der Sozialpartner gibt, was die betriebliche Altersvorsorge betrifft: Hier sei „Überzeugungsarbeit nötig“.
Zum wiederholten Male kritisierte Kocher auch die Komplexität der Systeme, die es mittlerweile in ganz Europa gibt. Man muss darauf schauen, dass es nicht zu viele Hürden gibt, insbesondere bei der Übertragung von einem Land in ein anderes.
Herausforderungen für Mitarbeitervorsorgekassen
Neue, immer flexiblere Modelle des Arbeitens, beispielsweise im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder mit unterschiedlichen Lebensphasen, müssen auch in den Mitarbeitervorsorgekassen abgebildet werden, betont Kocher.
So gibt es derzeit wenige Möglichkeiten, über Jahre hinweg Zeitguthaben zu erhalten, wenn ein Arbeitnehmer nicht beim gleichen Arbeitgeber bleibt. Hier ist eine überbetriebliche Lösung notwendig.
Man muss sich Gedanken machen, wie flexibles Arbeiten besser unterstützt werden kann, der Wunsch ist jedenfalls vorhanden. Allerdings muss auch sichergestellt sein, dass dabei Menschen nicht ausgenutzt werden, schließt Minister Martin Kocher.