Wir werden alle älter
(kunid) Nach einem raschen Anstieg der Lebenserwartung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es in den vergangenen zehn Jahren zu einer Verlangsamung gekommen, stellt das Swiss Re Institute fest, etwa aufgrund von Folgeerkrankungen von Fettleibigkeit oder zunehmenden Auswirkungen von Alzheimer.
Für die nächsten 20 Jahre rechnet das Swiss Re Institute (SRI) aber mit einer neuerlichen Steigerung der Lebenserwartung infolge zu erwartender „medizinischer Durchbrüche“, insbesondere im Zusammenhang mit Krebs.
Verbesserungen zur Steigerung der Lebenserwartung treten meist in Wellen auf, nach großen medizinischen Durchbrüchen oder im Zuge flächendeckender gesellschaftlicher Trends wie der rückläufigen Verbreitung des Rauchens.
Dies stellt das SRI fest, das zu diesem Thema vor kurzem einen Bericht mit dem Titel „The future of life expectancy: Forecasting long-term mortality improvement trends for insurance“ veröffentlicht hat.
Rascher Anstieg, zuletzt gebremst
Im 20. Jahrhundert ist die Lebenserwartung dank neuer Arzneimittel zur Senkung des Blutdrucks und des Cholesterinspiegels steil angestiegen: von weltweit durchschnittlich 55 Jahren Ende der 1950er Jahre auf weit über 70 im Jahr 2020.
Als „Schlüssel zum Erfolg“ haben sich Lebensstilfaktoren und der Zugang zu einem gut finanzierten Gesundheitswesen erwiesen.
Bemerkenswert ist etwa, dass Japan die Zahl der schlaganfallbedingten Todesfälle zwischen 1980 und 2012 um über 80 % hat senken können. „Dies gelang dank relativ einfacher Maßnahmen, zum Beispiel der Empfehlung einer salzärmeren Ernährung.“
In vielen Teilen der Welt hat sich jedoch seit 2010 der zuvor schnelle Anstieg der Lebenserwartung verlangsamt, und zwar durch Faktoren wie Folgeerkrankungen von Fettleibigkeit, zunehmende Auswirkungen von Alzheimer und einen ungleichen Zugang zu medizinischer Versorgung.
Medizinische Fortschritte
Aber: Die „nächste Welle“ von Steigerungen der Lebenserwartung zeichnet sich ab. Das größte Potenzial dafür besteht bei der Erkennung und Behandlung von Krebserkrankungen.
Flüssigbiopsien beispielsweise ermöglichen eine wesentlich frühere Erkennung bestimmter Krebsarten, und mit der Ablösung von Standardtherapien durch personalisierte Präzisionsmedikamente dürfte auch die Überlebenswahrscheinlichkeit steigen. Auch mRNA-Impfstoffe geben Anlass zur Hoffnung.
Einen weiteren Hebel sieht das SRI aufseiten der Politik: Diese könne dazu beitragen, dass mehr Menschen zur Krebsvorsorge gehen. Deren Akzeptanz in Großbritannien etwa ist hoch, die Überlebenschancen haben sich dadurch „um weit mehr als 50 %“ verbessert.
Krankheitsbekämpfung, neue Technologien
Maßgeblich für die Verlängerung der Lebensdauer ist die Bekämpfung von Krankheiten, die Ältere betreffen. Das SRI führt hier insbesondere Alzheimer und andere Demenzerkrankungen an.
Bisher versprechen nur wenige Therapien mehr als eine Linderung der Symptome; die medizinischen Entwicklungen in diesem Bereich kommen relativ langsam voran, und bei manchen Behandlungen, die entwickelt wurden, sind die Ergebnisse umstritten.
„Weitreichende Auswirkungen“ auf die Lebenserwartung können neue Technologien zeitigen. So könnten beispielsweise künstliche Intelligenz in der medizinischen Forschung und als Unterstützung bei Behandlungsentscheidungen eingesetzt werden oder Wearables und Apps für die Erfassung von Daten zu Gesundheit und Wohlbefinden eine Rolle spielen.
Fazit
Medizinische Technologie, Veränderungen der Lebensweise und der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung werden die nächste Welle von Verbesserungen zur Steigerung der Lebenserwartung vorantreiben, fasst Natalie Kelly, Head L&H Global Underwriting bei Swiss Re, zusammen.
Die Versicherungswirtschaft müsse diese komplexen Faktoren verstehen, um die Kunden weiterhin absichern zu können, und die Menschen dazu anhalten, „sich für eine Lebensweise zu entscheiden, mit der sie länger und gesünder leben“.